Wien im Jahre 1787. Skizze eines lebenden Bildes von Wien, entworfen von einem Weltbürger

Galanthai_Fekete_Janos

Galanthái Fekete János

Unseren Lesern nicht vorenthalten wollen wir auch eine frühe Würdigung der Schönheit und Nützlichkeit des Augartens:

„Der Augarten ist ein schöner Park, der zwar nicht im englisch-chinesischen Stil angelegt ist, aber prachtvolle Teile enthält, die jenes Fürsten würdig sind, der ihn dem Volke zugänglich gemacht hat. Eine Inschrift oberhalb des Tores beweist, daß Josef die heiligen Rechte der Menschheit kennt. Ich würde im Augarten gerne einige Teiche sehen. Vielleicht sind sie aber nicht angelegt worden, weil die unmittelbare Nachbarschaft der Donau es zu leicht gemacht hätte, den Anlagen diesen Schmuck zu verleihen, den ich in einem schönen Garten für unentbehrlich halte.

Da sich im Augarten eine Gastwirtschaft befindet, die Mahlzeiten aller Art zu verschiedenen Preisen bereit hält, und der Garten jedermann zugänglich ist, wird dieser Vergnügungsort ziemlich stark besucht, natürlich auch von Schönen, die hinkommen, um sich sehen zu lassen oder Verehrer zu finden. Die verschiedenen Schichten des Adels, vom höchsten bis zum niedersten, veranstalten hier ihre mehr oder minder reichen Gastmähler, die auch nach dem Aufwande an Speisen entsprechend verschieden sind.

Wären die Vorstädte mit der inneren Stadt vereinigt, so wäre der Wiener Augarten das, was die Tuilerien für Paris sind. Einstweilen wird dort des Morgens jene Unzahl von Versen geschmiedet, die Apollo meist verurteilt, im starken Gegensatz zu den Lesern, die davon ebenso begeistert wie überfüttert sind. Auch verabredet man oft morgendliche zärtliche Zusammenkünfte im Augarten, für die anderwärts kein passender Ort zu finden ist. Man begnügt sich dort aber stets mit den einleitenden Schritten.

Der Herrscher besitzt in unmittelbarer Nähe des Parkes eine kleine Einsiedelei, ein ebenso hübsches wie schlichtes Häuschen, wo er gerne als einfacher Privatmann lebt, um nur von Zeit zu Zeit die Freuden des öffentlichen Gartens zu genießen. Sein Gärtchen steht in unmittelbarer Verbindung mit dem Augarten, es schützt ihn aber von der Neugier der Spaziergänger. Will er seinen Teil an den Freuden haben, die er dem Volke gönnt, so braucht er nur sein enges Revier zu durchschreiten, um sich inmitten einer Menge zu befinden, die seine Volkstümlichkeit daran gewöhnt hat, sich in ihren Vergnügungen durch seine Gegenwart nicht stören zu lassen.“

aus: Johann Graf Fekete de Galantha, Wien im Jahre 1787.
Skizze eines lebenden Bildes von Wien, entworfen von einem Weltbürger.
Rikola Verlag Wien, 1921